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Stefan Weickert
All rights reserved.

erstellt 17.01.2000
letzte Änderung:
11.07.2021
 
 Wanderungen

Hier schon mal einige Fotos (als Appetithappen sozusagen):

amours1

Badestelle in der Sals bei der Fontaine des Amours (links außerhalb des Bildes)

amours3

Ausschnitt aus obigem Foto (Blickrichtung flußaufwärts nach Süden)

amours2

Detail auf dem großen Felsen oben

roque

Pas de la Roque

bezu

Auf dem Weg zum Château des Templiers (le Bézu)

serbairou

Blick vom Fauteuil du Diable zum Serbaïrou

seed1

The Seed (David Wood)

seed2

Ausschnitt aus obigem Foto

Die 7 Täler

 

Vorsatz | Invocatio [26.11.2015]

My Surface is fantastic.

page en français: Les 7 vallées

[Fotos] [eBook] [DNB Katalogeintrag]

© 2015-2016 Stefan Weickert, Hamburg. - All rights reserved.
 

Prolog - Vorgeschichte | Die Reise zur Reise

[Alles begann Anfang der 80er mit einer Weinlese in der Nähe von Bordeaux (bei Libourne) als Reise vor der Reise.]

"Ce n'est pas la peine!" (Das ist nicht nötig!) donnerte mir der Patron entgegen. Einen Satz, den ich - wie peinlich - so nie mehr hören wollte. Es war seine Reaktion auf mein Ansinnen, nach einer Hochzeitsfeier eines entfernt bekannten Paares wieder zurückzukehren zur größten Fete meines Lebens, der Weinlese im französischen Department Gironde. Er war extra an die Straße gekommen, um zu sehen, ob ich wirklich ins Auto einsteigen und wegfahren würde.

Aber der beiden Frauen wegen, die ich abwechselnd glücklich machte, kam ich wieder. Allerdings versteckte ich mich am Waldrand im Wrack eines schwarzen Oldtimer-Citroens 11 CV mit seiner bequemen Rückbank. Die Tage verbrachte ich damit, den anderen bei der Ernte zuzuschauen. Und abends schlich ich mich zur Unterkunft auf dem Gut zum Essen, Weintrinken und Feiern. Der Patron ließ sich wie üblich dort nicht blicken, schien meine Anwesenheit nicht zu bemerken oder zu ignorieren.

Die erste Woche der Vendange war für mich wie Urlaub. Entspannt ging ich zu Werke ohne zu Bummeln, dem niedrigen Lohn angemessen. Für mich eher ein Taschengeld bei freier Kost & Logis. Das schien dem Patron wohl nicht gefallen zu haben. Denn der Teil der Erntehelfer, der aus Spanien kam, war mehr auf Zack. Sie kamen nicht wegen der Atmosphäre, sondern wegen des Geldes.

 

Ich stand an der Weggabelung und wusste nicht wohin. Ein Gefühl der Verlassenheit überkam mich nach den Tagen der Ausschweifungen. Sollte ich der einen Frau ins Ardèche hinterherfahren oder doch lieber zu der Landkommune im Pyrenäenvorgebirge, deren Adresse ich von der befreundeten Straßentheatergruppe hatte, die mit mir gleichzeitig auf dem Nachbarweingut die Vendange gemacht hatten.

Plan- aber nicht orientierungslos musste ich eine Entscheidung treffen. Rückblickend ist solch eine Situation immer nur ein Meilenstein auf der zurückgelegten Reiseroute, aber in dem Moment steht man am Wendepunkt seiner Selbst und spürt die ganze Last der Existenz. Da möchte man ja nicht eine Münze werfen.

Ich entschied mich unbewusst gegen die Vergangenheit (trautes Glück zu Zweit) und für die Communauté in den Corbières, nicht allzu fern - wie ich damals annahm - des ehemaligen Katharergebiets. Diese waren für mich, seit ich Lothar Baiers "Die große Ketzerei" aus dem Wagenbachverlag (Berlin 1984) gelesen hatte, in den hohen Pyrenäen (Ariège) beheimatet. [Die Karte im Buch zeigt bis auf Queribus nur Orte westlich der Aude.]
[Franz Jung: Die Albigenser. Revolte gegen die Lebensangst, in: J. F.: Schriften, Salzhausen 1977, S. 701-732]

Darauf bekam ich einen Lift Richtung Toulouse. Auf der Strecke haben wir dann noch die niedliche Italienerin aufgepickt, die im Nachbarweingut gearbeitet hatte und jetzt ebenfalls zur Landkommune trampte. Zum Glück, denn von ihr bekam ich eine genauere Wegbeschreibung. Wir konnten bei dem Autofahrer übernachten. Schlafen wollte die Italienerin aber nicht mit mir. Wir sind dann getrennt weitergetrampt und als ich bei der Landkommune ankam, war sie schon wieder in Abreise begriffen. Nun ja, trotzdem war sie meine Gute Fee auf der Reise zur Reise.

Trotz Wegbeschreibung bin ich aber erst einmal zu weit gefahren. Von Carcassonne im Norden kommend hätte ich in Couiza nach Rennes-les-Bains [RLB] links abbiegen müssen. Erst weiter südlich in Campagne-sur-Aude bemerkte ich meinen Fehler und entdeckte dort an der Hauptstraße das Rock Café. Zu "Hotel California" von den Eagles schrieb ich wehmütig einen Brief an eine Freundin in Hamburg. Inzwischen ist aus dem Rock Café ein kleines Hotel ("Auberge des Cathares"(!)) geworden, in dem ich Jahre später schon mehrmals übernachtet habe.

Ich erreichte les Baruteaux nach einem längeren Fußmarsch von le Mas an der Straße nach Bugarach aus. Kaminfeuerromantik und Kiffen ersetzten Fernseher und Biertrinken. Viel gesprochen wurde nicht. Mein weniges Französisch hätte das auch nicht erlaubt. Aber die Landschaft war atemberauben. Ich machte meine morgendlichen Pencak-Silat-Atemübungen mit Blick auf die Templerburgruine le Bézu direkt über mir auf dem Berggipfel und wanderte zusammen mit einem Malaien ins Nachbartal - meinem Tal der Wildpferde - zur Bauernhofruine les Tricoires. Dort träumten wir von einem Leben in diesem Tal ohne Autoverkehr. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die mysteriösen Geschichten aus dem Umkreis von RLC (und Bugarach sowieso) erreichten mich erst viel später, nachdem ich in der Hamburger Buchhandlung Wrage zufällig das Buch von LBL HBHG ("Der Heilige Gral und seine Erben", Bergisch Gladbach 1984) aufschlug und auf einer der ersten Seite eine Karte von der Umgebung von RLB entdeckte. Am Kaminfeuer hörte ich wie gesagt nichts davon.
[Im Brunnen von les Baruteaux soll eine von den Templern versteckte Silberglocke in der Nacht zum 13. Oktober das Totengeläut erschallen lassen. Es gibt inzwischen sogar einen Comic über die Templer in le Bézu und les Baruteaux ("Et in Arcadia ego.", Belisane, Cazilhac 2003, ISBN 2-910730-38-7), die höchstwahrscheinlich aber nie dort waren. Und les Baruteaux ist abgerissen und aus ihren Steinen kleine Häuschen gebaut worden.]
 

Kapitel 1 | Aufbruch und Abbruch

Die Vögel versammeln sich in der Alten Meierei im Tal der Blanque. Einer nach dem anderen treffen sie ein. Das Feuer im Kamin knistert schon, die Nacht bricht herein.

Da spricht der Wiedehopf zu der versammelten Menge: "Ich begrüße euch alle auf das Herzlichste. Schön, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid, euch heute hier einzufinden, um morgen mit mir die beschwerliche Reise zum Simurgh anzutreten." Einige der Vögel wurden unruhig, denn sie wussten nichts von einer Reise. Zu ihnen war nur die Information vorgedrungen, sich hierher zu begeben, um einer Rede des Wiedehopfs zu lauschen, der unter ihnen den Ruf eines Weisen besaß. Noch bevor der Wiedehopf weitere Erläuterungen abgeben konnte, schnattern sie auch schon los: "Was ist denn der Sinn und Zweck dieser Reise, die so beschwerlich sein soll. Wie lange werden wir unterwegs sein und wohin geht es überhaupt?" Darauf antwortet der Wiedehopf: "Das genaue Ziel ist noch ungewiss. Wir wollen den Simurgh, unseren König aufsuchen, der irgendwo im Süden auf einem hohen Berggipfel leben soll, um uns von ihm unserer Bestimmung zuführen zu lassen." "Was macht dich denn so sicher, dass wir uns nicht verlaufen werden und was ist überhaupt unsere Bestimmung?"
"Ja, wenn ich das jetzt alles schon wissen würde, müssten wir uns gar nicht auf die Reise begeben. Ich weiß nur soviel, dass wir 7 Täler durchqueren müssen, bevor wir den Anstieg zum Heiligen Berg in Angriff nehmen können. Habt Vertrauen, dass wir die Zeichen zu gegebener Zeit zu deuten wissen." Damit war erst einmal Ruhe eingekehrt. Viele Vögel waren von der Anreise ermüdet, man wollte morgen in aller Frühe aufbrechen und sie überließen dem Wiedehopf die Führung.

1. Tal (der Suche, Ruisseau de Cass-Rats, Col du Vent 825m)

Am nächsten Morgen wollte man das südlich gelegene 1. Tal. erkunden. Hier im Tal ihres Startpunktes konnten sie den Pech de Bugarach erblicken, die höchste Erhebung dieses Pyrenäenvorgebirges (Corbières). Unter ihnen auf der anderen Straßenseite waren neben dem Weiler la Vialasse am Fluss auf mehreren Ebenen die Grundmauern einer ehemaligen Burg zu erkennen, was von Weitem wie die Überreste der Arche erschien. Das ganze Tal triefte nur so von Quellen (Source de la Madeleine) und einzelnen Felsen, die aus dem Wald herausragten. Und das Klima war angenehm, nicht so trocken wie schon etwas weiter im Osten mit seinem trockenen Mittelmeerklima.

Wenn dieses Tal schon so beschaulich dalag [Auenland], was mochte dann im nächsten so alles verborgen sein?

Über ihnen erhob sich auf einem steilen Felsen eine alte Templerfestung, die einen guten Ausblick in die Umgebung versprach. Da der direkte Aufstieg unmöglich war (ein Strauß war nicht mit von der Partie, aber es war ein Seidenhuhn dabei, das nicht fliegen konnte), musste man einen Umweg durch die Schlucht des Cass-Rats machen. Da sie den Weg auf der östlichen rechten Bachseite (Rive Droite) nicht kannten, kletterten sie mühevoll über die glitschigen Kaskaden nach oben. Hinter der Schlucht ging dann ein Pfad rechts ab und führte unterhalb des Felsgrats hinauf zur Ruine Château des Templiers (832m), wie sie heute genannt wird. Dort oben einem Adlernest gleich hatten die Vögel einen grandiosen Ausblick auf die im Norden und Osten umgebenden Landmarkierungen, die wie durch unsichtbare Drachenlinien (ley lines) verbunden ein geometrisches Muster formen (evtl. ein Penta- oder Hexagramm). Sie wussten nicht, was genau sie von dort oben sahen, aber sie glaubten an einen geheimen Plan, der dahintersteckt (Geomantie). Später erfuhren sie, dass es sich um den Dorfhügel von Rennes-les-Château (RLC, 472m), die Ruine des Château de Blanchefort (476m), der Felsgrat la Pique (582m) und die Berge Pech Cardou (795m) und Pech de Bugarach (1230m) handelte. Genau unter ihnen lag ihr Startpunkt, die Alte Meierei les Baruteaux (561m).

Ihr Weg aber ging in die entgegengesetzte Richtung, nach Süden bzw. Südost, in Richtung hohes Gebirge der Pyrenäen. Sie machten Rast vor der Bauernhofruine les Tricoires (650m). Hier in diesem Tal ohne jeglichen Verkehr träumten sie von einer Zukunft, in der sie das Gebäude restaurieren und in aller Abgeschiedenheit darin leben würden.

Sie waren auf der Suche nach ihrer Bestimmung, nach dem Sinn des Lebens oder wie auch immer. Ohne zu wissen, das sie hier vielleicht schon alles gefunden hatten, was sie sich je gewünscht hatten. Nur der Bachlauf unterhalb des Hauses war ausgetrocknet, so dass sie zum Wasserholen tiefer ins Tal absteigen mussten.

Abends passierten sie dann nahe des Talendes den Col du Vent (Pass des Windes). Von dort konnten sie ins nächste Tal blicken, wo unten in mehreren Dörfern (St-Louis-et-Parahou) schon die Lichter angingen. Hatten sie schon genug von der Einsamkeit des 1. Tals, das sie aufgrund der frei umherziehenden Pferde das "Tal der Wildpferde" nannten, wollten unbedingt in die Stadt zurück zu Jubel, Trubel, Heiterkeit?

Wenn sie damals schon gewusst hätten oder entdecken können, was sich ganz fern am Horizont abzeichnet, ihre Reise wäre bestimmt anders verlaufen. [Spoiler: Im Südosten thront das Ziel ihrer Reise, der mächtige Pic du Canigou, höchste Erhebung der östlichen Pyrenäen (Pyrénées Orientales).] [Eigentlich wollten sie die Nacht bei einer Communauté auf der anderen Talseite verbringen, aber sie konnten den Hof nicht wiederfinden.]

So machten sie sich also an den Abstieg ins 2. Tal. Erst ging es einen Weg entlang in die eine Richtung, dann abwärts querfeldein, als dieser im Nirgendwo endete, dann kilometerlang eine Straße entlang in die andere Richtung. Zu guter Letzt begann es zu regnen. Weit und breit war kein Haus zu sehen. Also schlugen sie sich (wieder) in die Büsche, um unter einem notdürftigen Regenschutz zu nächtigen. Fragen nach dem Sinn ihrer Wanderung, aber auch ihrer ganzen Existenz tauchten auf, konnten nicht geklärt werden und ließen sie in einen erschöpften, aber unruhigen Schlaf fallen.

Sie hatte die Adresse von einer Communauté am anderen Flussufer (le St-Bertrand) [fanden sie ein lauschiges Plätzchen], wo sie die nächste Nacht verbringen konnten. Sie wurden liebevoll empfangen und genossen das wohlige Gefühl, erst recht nach ihrer Verzweiflung in der letzten Nacht.

Trotzdem entschieden sie sich, die Reise abzubrechen und nach les Baruteaux zurückzukehren. Sie hatten nicht herausgefunden, wo das Ziel ihrer Reise liegen könnte, auf welchem Berg der Simurgh eigentlich lebt. Alle die sie fragten, kannten den Simurgh überhaupt nicht, sagten, es sei höchstwahrscheinlich nur ein Fabelwesen ohne wirklichen Wohnsitz. Sie wussten auch nicht, wie weit sie auf ihrer Reise schon vorgedrungen waren. Hatten sie schon das 3. Tal erreicht oder waren sie noch im 2. Tal. Sie kannten nun die Nachbartäler beiderseits ihres Tals der Wildpferde, aber ihr Weg führte sie wieder in die Welt zurück ohne dem Vogel Simurgh in irgendeiner Weise näher gekommen zu sein. Träumten sie nicht statt dessen insgeheim von einem Hotelbett am Bahnhof in Quillan? Bei diesem ewigen Gemaule konnte sich auch wirklich keine Hochstimmung einstellen, die einem über die Beschwerlichkeiten der Reise hinweggeholfen hätte.

[Übersicht über die 7 Täler:
1. Tal (der Suche, Ruisseau de Cass-Rats, Col du Vent 825m)
2. Tal (der Liebe, Ruisseau de Saint-Louis, Col de Saint Louis 696m)
3. Tal (der Erkenntnis, La Boulzane, Aiguë-Bonnes 689m)
4. Tal (der Unabhängigkeit, Ravin d'Aigues-Bonnes, Col del Mas 554m)
5. Tal (der Einheit, Rec de Vira, Col Bas 1035m)
6. Tal (des Erstaunens, La Desix, Col de Gués 821m)
7. Tal (des Todes, La Têt, Pic du Canigou 2784m) ]
 

Kapitel 2 | Erneuter Aufbruch [21.10.2015]

Viele Winter später trafen die Vögel erneut zusammen, diesmal bei Christina in Rennes-les-Bains (RLB), denn die Alte Meierei war inzwischen abgerissen und aus ihren Steinen mehrere neue kleine Häuschen gebaut worden.

Der Wiedehopf hatte von einem Ort namens Sournia in den Pyrénées Orientales gehört, das ja auch den Pyrenäen viel näher lag und wie Narnia klingt, einem Ort aus seinem Kinderbuch von C.S. Lewis, das er so sehr liebte, wo die Kinder durch den Wandschrank unterm Dach hindurchgehend in ein Fantasiereich eintreten. Dieser einzige Einfall reichte ihm, um wieder alle Vögel zusammenzurufen und auf den kommenden Erfolg ihrer Reise einzustimmen. Ob aber gerade das genügt, um den Vogel Simurgh aus der Fantasiewelt zu reißen, das fragte er sich nicht. Und auch die anderen Vögel gingen euphorisch auf seinen Vorschlag ein, denn sie hatten zeitlebens an ihren damaligen unvollendeten Versuch denken müssen.

Von RLB aus wählte man diesmal die Straße nach la Valdieu, um dann am Pas de la Roque links abbiegend über den Col das Bordos zum Friedhof des Weilers le Bézu zu gelangen. Hier ist der "offizielle" Eingang zum 1. Tal, ihrem Tal der Wildpferde, die am Dorfrand ihre Ställe haben. Denn ganz so wild sind sie leider eben nicht.

Am Parkplatz kurz vor dem Landhaus les Tipliés begann dann der leichtere Aufstieg von Westen aus zur Ruine Château des Templiers, denn den Ausblick wollte man sich auch wiederholt nicht entgehen lassen. Die riesigen Steinquader hoch oben auf dem kleinen Felsplateau erinnern ein wenig an Machu Picchu. Auch machten sie erneut Rast bei les Tricoires. Jetzt träumten sie gleich von einer Gaststätte oder sogar Herberge für Wanderer der etwas weiter oben vorbeilaufenden Nordvariante des Sentier Cathare (Katharerweg), die sie dort gerne einrichten würden. Später sollten sie etwas ähnliches im 4. Tal finden. Nur war der Bachlauf unterhalb des Hauses ausgetrocknet, so dass sie zum Wasserholen tiefer ins Tal absteigen mussten.

Dabei entdeckten sie auch auf der anderen Talseite einen kilometerlangen Stacheldrahtzaun, wie es sonst keinen in der weiteren Umgebung gibt. Sie konnten sich das nicht erklären und dachten sofort an Verschwörung und ein geheimes Forschungsprojekt, besonders nachdem sie von der Templerfestung aus im abgesperrten Bereich auf einer Lichtung einen dubiosen weißen Kasten entdeckt hatten. Später wurde ihnen klar, dass das auch mit dem neu eingerichteten Raubvogelschutzgebiet zusammenhängen könnte.

2. Tal (der Liebe, Ruisseau de Saint-Louis, Col de Saint Louis 696m)

Am Col du Vent genossen sie den fantastischen Ausblick auf die Pyrenäen. Irgendwo da musste ihr Ziel doch liegen. Sie passierten den Weiler Parahou-Grand und erreichten auf der anderen Talseite den Col de St-Louis (GR 36). Kurz darauf führt ein Weg rechts ab in den Wald (Forêt des Fanges). Endlos führt der Forstweg auf dem Bergrücken durch den Wald nach Westen bis zu einem Forsthaus, wo sich der Weg alsbald aus dem Wald führend nach Süden wendet hinunter ins 3. Tal zum Col du Campérié (ja dieser Pass liegt unten im Tal, weil es ein Pass auf der im Tal verlaufenden Departmentstraße D117 ist). Sie nahmen die sichere, wenn auch längere Route und nicht die Abkürzung direkt hinunter nach Lavagnac (oder gar die Autostraße hinab nach Caudiès). Auf der anderen Talseite stießen sie etwas oberhalb auf die Südvariante des Sentier Cathare, dem sie jetzt für einige Zeit in östlicher Richtung folgen sollten.
 

Kapitel 3 | Die Burg [24.10.2015]

3. Tal (der Erkenntnis, La Boulzane, Aiguë-Bonnes 689m)

Als sie schon die Geräusche des unten im Tal liegenden Lapradelle hörten, bogen sie um eine Felsecke und da lag es, das Château de Puilaurens wie auf einem Zauberberg direkt vor ihnen. Schweigend und staunend gingen sie um die noch von einer Schlucht getrennte Burgruine herum. Mit ihren vollständig erhaltenen langgestreckten Außenmauern und Schießscharten auf einem Pog thronend erinnert sie wie keine andere Burg ganz stark an die von Montsegur.

Sie fanden den Aufgang und stellten sich schon einmal eine Audienz bei ihrem König vor. Nur war das hier noch nicht der Wohnsitz des Simurghs, denn dafür war der Hügel viel zu klein. Beim Aufstieg konnten sie aber südlich in der Ferne eine sehr hohe Bergspitze erblicken, die sie sich gut als seinen Wohnsitz vorstellen konnten. Wie recht sie doch mit dieser Einschätzung haben konnten. [Hinweisschild Pic de Canigou]

Erst mussten sie aber noch die 7 Pforten überwinden hinauf zu diesem Adlerhorst. Die der Burg vorgelagerte Barbacane ist ein Spießrutenlauf auf einem Zickzackkurs durch mehrere Tore hintereinander hoch zum Burghaupttor, ähnlich wie eine Miniaturreise durch 7 Täler. [Kreuzweg]

[31.08.2016]

In den Katakomben des Donjons (Bergfried) veranstalteten sie zu ihrer Freude eine Lasershow. Grüne Lichtmuster huschten zur Überraschung der Besucher über Boden und Wände.

Steil abwärts ins Tal führte der Weg vom Château ins Dorf Puilaurens hinunter und schlängelte sich nach Überquerung der Boulzane an der anderen Talseite in westlicher Richtung wieder hoch zum Pass von Aiguës-Bonnes. So blieb ihnen der Weg in südlicher Richtung durch das dunkle und trostlose Tal der Boulzane erspart.
 

Kapitel 4 | Tal von Aigues-Bonnes und Castel Sabarda

4. Tal (der Unabhängigkeit, Ravin d'Aigues-Bonnes, Col del Mas 554m)

Nachdem sie die Farm von Aigues-Bonnes durchquert, die Departmentgrenze nach Pyrénnées-Orientales überschritten, sowie den kleinen Hügel Pech de Montredon umkreist hatten, kamen sie im Tal von Aigues-Bonnes zu einer Herberge, die mit tibetischen Gebetsfahnen geschmückt war. Dort ließen sie sich an draußen davor stehenden Tischen nieder. Der Besitzer war offensichtlich mit seinem Hund in den Feldern oder am nahe gelegenen Flüßchen Ravin d'Aigues-Bonnes. Als er zu seinem Haus zurückkehrte, wurden sie freudig begrüßt und, nachdem sie ihm gegenüber ihren Reiseplan dargelegt hatten, in ihren Absichten bestärkt. Ja, die Mär vom Vogel Simurgh war auch bis zu den östlichen Kulturen vorgedrungen und sein Stammsitz wurde inzwischen auf den hohen Berggipfeln im Süden vermutet. Nach dieser entspannenden Rast ging die Wanderung weiter östlich nach Vilasse-de-Fenouillèdes, am Kreuzungspunkt vom Sentier Cathare mit dem GR 36 (Grand Randonee, Großer Wanderweg). Alsbald tauchte in der Ferne die majestätische Burgruine des Castel Sabarda auf. Den Ort hinter einer Bachquerung und die gegenüberliegende Ruine des Château St. Pierre nahmen die Vögel gar nicht wahr. Dann ging es weiter östlich gemächlich hinauf zum Col del Mas und ins nächste Tal.
 

Kapitel 5 | Wald von Boucheville

5. Tal (der Einheit, Rec de Vira, Col Bas 1035m)

Noch ein wenig östlich ging es bis etwa las Cabanes, wo es die Vögel südwestlich über Vira in den dunklen Forêt des Boucheville verschlug.
Endlos ging es dann durch die Wälder immer höher zum Rond Point, wo man erstmals einen weiten Blick über die Umgebung hat. Auf dem Weg zum dicht bewaldeten Col Bas kann man auch von einer Stelle nördlich den oberen Teil des Château Peyrepertuse erkennen, aber die Vögel bemerkten es nicht, ist es doch fast nahtlos auf einen riesigen Bergrücken gesetzt. Vom Pass aus kann man dann im Südosten wieder (zum 3. Mal) den Pic de Canigou erblicken. Weiter ging es südlich durch den Wald abwärts nach Rabouillet im Tal von Sournia.
 

Kapitel 6 | Sournia - Campoussy

6. Tal (des Erstaunens, La Desix, Col de Gués 821m)

Zwei templerische Burgruinen und eine kleine Kapelle (Chapelle St. Michel) nebst einem sehr romantischen Wasserfall erwarten die Vögel auf der Südseite (Courbous) des Tals von Sournia. Der Ortsname erinnert an das mystische Narnia, Königreich aus der Romanserie von C. S. Lewis. Die Vögel könnten auf dem Campingplatz nächtigen, aber es zieht sie weiter zum Dolmen auf dem Weg zum Coll de Roca Gelera, von wo aus sie das Ziel ihrer Reise sichtigen können.

Es ist schon gegen Abend, als sie auf dem Weg dahin im Dorf Campoussy eintreffen. Sie passieren die Kirche im menschenleeren Dorf und erblicken am Ende der Gasse hinter einem Torbogen oder Durchfahrt einen Feuerschein. Das macht sie neugierig und als sie um die Ecke biegen, erkennen sie eine Gruppe bei Grillvorbereitungen. Voller Überraschung bleiben sie wie angewurzelt stehen und werden darauf hin von einem Mann, der sich als Polo vorstellt, zum Essen eingeladen. Baff über so viel Gastfreundschaft geben sie zu bedenken, dass die Dunkelheit naht und sie vor Einbruch noch den Dolmen auf dem Weg zum Pass besichtigen wollen. Da die Zeit knapp ist, bietet Polo ihnen an, sie dorthin zu fahren und noch weiter zum Pass hoch, den Pic zu bestaunen. Der Domen ist klein, aber man kann sich reinsetzen. Er befindet sich nicht weit von der Passstraße entfernt dirket neben einer Plattform mit Blick auf Sournia. Ein klein wenig weiter steht noch der Roc Cornut, eine Felsformation, die von einer Seite wie eine Statue von Donald Duck aussieht, gleich neben der Straße. Die Vögel grüßen die steinerne Ente und fliegen weiter zum Pass hoch., wo sich ihnen auf der anderen Talseite ein grandioser Ausblick auf das Gebirgsmassiv des Canigou bietet. Jetzt sind sie sich sicher, dass das ihr Berg, der Sitz des Simurghs und damit Ziel ihrer Reise, sein muss.

Aber erst einmal geht es wieder zurück ins 6. Tal nach Campoussy zu dem Haus am Marktplatz. Inzwischen ist es dunkel geworden und der Feuerschein ist einem roten Glimmen der Holzkohle gewichen. Das Fleisch ist fertig gebraten und wird ihnen mit Baguette und Grillsaucen gereicht. Dazu Rotwein aus den Pyrénées Orientales.

Später ziehen sie sich in den 1. Stock des Hauses zurück, um ein paar Kräuter zu rauchen und weiter über ihre Reise zu sprechen. Über die Abschnitte, die hinter ihnen liegen und den Part, der sie erwartet. Denn der höchste, längste und schwierigste Teil liegt noch vor ihnen.

Es ist schon spät in der Nacht, als der Wiedehopf sich vom Tisch erhebt. Etwas zu rasch, denn es wird ihm vom ganzen Trinken und Rauchen schwindelig. Er will auf den Balkon hinaustreten, da verliert er das Bewußtsein.

Glücklicherweise sitzt Polo neben ihm und kann ihn noch auffangen, bevor er der Länge nach auf den Boden fallen würde. Nach wenigen Minuten kommt er wieder zu sich und hatte gerade so etwas wie sein Nahtoderlebnis durchgemacht. Wie eine Wiedergeburt kommt ihm jetzt sein Dasein vor.

Bei Tagesanbruch geht es weiter südlich von Campoussy vorbei an der Chapelle St. Just und südöstlich hinauf zum Col de Gués.
 

Kapitel 7 | Zum Gipfel [06.09.2016]

7. Tal (des Todes, La Têt, Pic du Canigou 2784m)

Talwärts vorbei an der Capella de Santa Eulària zur Monastir von Marcevol, über die Staumauer von Vinca nach Finestret ins Tal von Valmanya. Dort übernachteten die Vögel in Baillestavy in einer Gite (Herberge, Nachtlager), um den ganzen nächstren Tag für den Aufstieg zum Pic zur Verfügung zu haben.

Beim Los Masos Parking am Ende der Autostraße schließlich brachen sie auf zum Chalet des Cortalets, das ihnen als Basisstation dienen sollte. Der Weg führte sie durch Wald und Geröllfelder vorbei an einem unbewohnten Refuge (Schutzhütte), dass sie im Falle eines Unwetters schützen könnte.

Die Vegation wurde immer karger und alsbald von grünen Bergmatten abgelöst. Sie erreichten einen weiteren Parkplatz, auf dem neben 4x4 (Quatre-Quatre Allradangetriebene) auch einige wagemutige R(enault)5-ähnliche Kleinwagen standen. Vom Chalet aus eröffnete sich ihnen schon einmal ein fantastischer Rundblick auf die umliegende Bergwelt. Hier konnten sie noch einmal ausruhen und für Futter war in dieser großen Herberge reichlich gesorgt.

Dann begann der dreistündige Aufstieg zum Pic hinauf. Erst ging es noch gemächlich auf breiten Pfaden an einem kleinen Bergsee vorbei, bevor der Weg steiler und steiniger wurde, um schließlich fast in einem Geröllfeld verschwand, das sich bis zum Gipfel hochzog.

Ach waren die Vögel froh, als sie erst das Ziel ihrer Reise, den Gipfel des Canigou erreichten, der mit einem hohen gitterartigen Eisenkreuz, geschmückt mit vielen gelb-roten Wimpeln, markiert war. Der Ausblick war überwältigend. Sie konnten sich gar nicht sattsehen und vergaßen fast den Grund ihres Herkommens. Sie waren doch auf der Suche nach dem Vogel Simurgh. Wo war er aber, der Palast?

Der Weg führte weiter am Gipfelkreuz vorbei und schlängelte sich steil nach unten ins nächste Tal. Da entdeckten sie knapp unterhalb des Gipfels ein Felsentor, das einen Zugang zu einem unterirdischen Palast darstellen könnte. Als sie sich dem Tor näherten, erkannten sie davor einen Torhüter, der ihnen auf Anfrage antwortete, er wäre der Wesir des Vogels Simurgh. Also nicht einfach der Torhüter, sondern ein Repräsentant des Kalifen, der den Palast zu bewohnen schien.

Der Wesir aber sprach zu ihnen: "Der Simurgh lässt sich entschuldigen. Er hat mich, seinen Wesir, geschickt, um möglichen Besuchern auszurichten, dass der Vogel Simurgh nur eine Vision sei. Dass der wahre Simurgh ihr, die Besucher seines Palastes, selbst seid. Ja ihr alle, die ihr hierher gereist seid, allen Schwierigkeiten und Hindernissen zum Trotz, macht zusammen den Simurgh aus. Ihr habt euch selber gefunden. Ihr könnt hier die Erkenntnis erlangen, dass das Ziel eurer Suche ihr selbst seid, euer eigenes Selbst, das ihr sonst so nie gefunden hättet. Aber hier könnt ihr, wenn ihr willens seid, erkennen, wer ihr selber seid: Suchende nach dem eigenen Selbst in Überwindung der vielen Hemmnisse, die ihr auf eurer Reise erfahren habt."

Und indem der Wesir so sprach, glaubten die Vögel seinen Worten und versuchten, das Beste aus der Situation zu machen und anzunehmen, dass sie nun ihr Selbst gefunden hatten in dieser einzigartigen Umgebung, mit der sie zu zerfliessen glaubten. Dass - wie so oft - der Weg das Ziel war...
 

 

 
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